In die Nacht hinein

Kapitel 1

Er wälzte sich zur anderen Seite. Das Rascheln der Bettdecke raubte ihm den letzten Nerv. Wie er es haßte, nicht schlafen zu können. Er richtete sich auf und starrte die LCD-Anzeige des Telekoms an.
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Er zählte die Sekunden. Eins. Zwei. Verdammt. Er wußte, daß er morgen einen extrem harten Tag in der Schule haben würde. Auch mit genug Schlaf waren die Unterrichtsstunden in Geschichte Frankreichs im 19. Jahrhundert eine nie endenwollende Qual. Er würde selig einschlafen. Wieder einmal. Mitten im Unterricht.  Er wälzte sich zur anderen Seite. Er zählte Schäfchen. Doch jedesmal, wenn er den Zaun und ein Schaf vor Augen hatte, erlosch sein Traumgebilde und der Gedanke nicht Schlafen zu können, riß ihn aus der auftauchenden Müdigkeit zurück. Draußen fuhren die Autos unter seinem Schlafzimmerfenster vorbei. Gelegentlich drang das Knallen eines Schusses oder die Sirene eines Lone Star - Wagens durch das Thermoglas . Dick Mitchell konnte nicht schlafen. Er schloß die Augen erneut, lauschte auf seinen Atem. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Er gähnte. Langsam spürte er, wie die Müdigkeit ihn in seine Arme schloß und immer tiefer in die Kissen sog.Er rollte sich in seine warme Bettdecke ein und ............
Bäng !!
Kerzengerade schreckte er aus dem Bett hoch. Was war das? Ein Schuß? Es kam von unten, aus dem Erdgeschoß. Vorsichtig, darauf achtend leise zu sein, schälte er sich aus der Bettdecke und schlich zur Zimmertür. Unten waren Schritte zu hören. Er griff sich seinen Baseballschläger und öffnete leise die Tür. Wie in einem Traum, es war ein Traum, da war er sich ziemlich sicher, tappte er im Dunkeln durch den Flur. Ein Schrei. Seine Mutter. Deutlich konnte er die Verzweiflung in ihrer Stimme mitschwingen hören. „Laßt unseren Sohn in Ruhe, ihr Schweine", und dann ein klatschendes Geräusch und das dumpfe Aufschlagen eines Körpers auf den Teppichboden. Er schlich weiter. Deutlich nahm er die Schritte wahr, die ihm entgegen die Treppe hinaufkamen. Er wich den knarrenden Dielen aus und ging weiter. Es waren keine fünf Meter bis zur Treppe nach unten. Auf nackten Sohlen schlich er Schritt um Schritt zum Treppenabsatz. Eine schwarze Gestalt richtete sich vor ihm aus dem Nichts auf. Ihre Augen waren grünlich schimmernde Kreise und er nahm ein gedämpftes Röcheln wahr. Ein roter Strahl schnitt durch die Dunkelheit, richtet sich auf ihn und wanderte von seiner Brust über die Flurwände. Sie kam näher. Er war starr vor Angst, unfähig einen weiteren Schritt zu gehen oder sich Hals über Kopf in Sicherheit zu bringen. Die schwarze Gestalt war nur noch wenige Meter entfernt. Vier Meter. Drei Meter. Warum sah sie ihn nicht. Er spürte wie kleine Schweißperlen in seine Augenbrauen flossen und brennend in seine Augen strömten.  Ich bin tot. Sie wird mich töten und mein Blut wird das Einzige sein, was in einen häßlich, rotem Fleck auf dem Fußboden von mir übrig bleiben wird. Eine weiße Linie wird meine Umrisse wiedergeben und das war’s. Nichts mehr. Nie mehr.

Sie kam näher und ging an ihm vorbei. Wie durch einen dicken Nebel sah er, wie sie seine Tür vorsichtig öffnete und wie eine kleine Feuerzunge begleitet von vier leisen Plops aus dem Arm der Gestalt stieß.

„Hier oben ist alles klar. Objekt Drei terminiert. Komme runter, Sergeant Eller."

Er zitterte. Schwitzte.

Es waren noch mehr Gestalten im Haus. Er schlich weiter bis zum Treppenansatz und schaute ins darunterliegende Wohnzimmer.  Die Gestalt kam aus seinem Zimmer zurück. Wieder spürte er wie sie auf ihn zukam. Näher und näher. Und an ihm vorbeiging. Die Treppe knarrte unter dem Gewicht des Körpers.

Sie standen bei der Sitzecke im Wohnzimmer. Vier Gestalten. Alle in schwarz und auf einmal sah er, das es sich nicht um irgendwelche Hirngespinste seiner jugendlichen Phantasie handelte, sondern es eindeutig Menschen waren. Sie trugen alle schwarz. Er hatte solche Kleidung schon in zahlreichen Actiontrids gesehen, doch so etwas in der Realität, keine fünf Meter vor Augen zu haben, machte ihm mehr Angst, als er vertragen konnte.

Dann erblickte er seine Eltern. Sie waren noch in ihren Schlafanzügen. Sein Vater blutete an der Schulter und seine Mutter schluchzte. Sie knieten vor den Gestalten, die Hände ihm Nacken. Eine, der schwarzen Gestalten, zog sich langsam die schwarze Wollmaske vom Gesicht und er hätte beinahe laut geschrien. Devon Chandler. Der Partner seines Vaters. Der ihm zu Weihnachten immer die teuersten und größten Geschenke gemacht hatte. Sein Patenonkel. Der beste Freund seines Vaters. Er zog eine klobige Pistole aus seiner Weste. Sein Vater starrte ihn nur fassungslos an. Entsetzen stand mit großen Buchstaben in sein Gesicht geschrieben, gepaart mit der Erkenntnis verraten worden zu sein.

Er sah, wie sich die Worte auf den Lippen seines Vaters formten.

„Chandler, Du Schwein."

Er schoß.

Der Kopf ruckte zur Seite und eine rote Wolke aus Blut und Gewebe hüllte seine Mutter ein. Sie schrie auf und Chandler setzte ihr die Pistole an den Kopf. Ein erneuter Knall klingelte in seinen Ohren. Ihr Körper sackte zusammen.

Chandler und seine Kumpanen verließen das Haus. Sie ließen die Leichen achtlos liegen. Mit Entsetzten nahm er wahr wie Chandler sich noch einmal kurz umdrehte und ein kleines Päckchen in das Wohnzimmer warf. Nur zu deutlich sah er die LCD-Anzeige. Er rannte in sein Zimmer, riß ein paar Sachen aus seinem Schrank, stopfte sie in seinen Rucksack. Danach lief er nach unten in das Schlafzimmer seiner Eltern, durchwühlte die Kommode und fand schließlich die Pistole. Er steckte sie zusammen mit den Kredstäben und einigem Bargeld in seinen Rucksack.

Und rannte.

Im Vorbeilaufen sah er die Sekundenanzeige des kleinen Päckchens blinken.

00:06

00:05

Er rannte und rannte. Aus der Tür hinaus, über den Hof, wo er mit seinem Vater immer Basketball gespielt hatte. Eine heiße Wolke schloß ihn ein, riß ihn in die Luft und schleuderte ihn in die Hecke der Wilsons. Er rappelte sich auf und lief weiter.  Die Nacht war taghell. Sein Elternhaus brannte lichterloh.

Dick Mitchell war allein.

Kapitel 2

Chandler lachte.

Was für ein Idiot. Er hatte ihm vertraut, wie ein kleiner, dummer Schuljunge. Ein verdammt dummer Schuljunge.Wie einfach es doch war, Menschen und diese widerlichen Abarten, die die Allgemeinheit Metamenschen nannte, zu manipulieren und wieviel Freude es machte, mit ihnen zu spielen. Sie ahnten nichts, liefen blind durch die Gegend. Schlimm. Wirklich schlimm.

Mitchell war ein interessanter Bauer in seinem Spiel. Er hatte sich als klug und strebsam erwiesen. Immer bereit sich für ihn seinen Freund einzusetzen. Partner, hatte er gesagt. Wenn er gewußt hätte, wie ungleiche Partner sie waren. Er hätte ihm nie im Leben das Wasser reichen können. Aber er hatte Spaß gebracht.Er mußte schmunzeln.

Wie ein Film ließ er die wenigen, gerade verstrichenen Stunden vor seinem Auge Revue passieren. Er war durch sie hindurch gefegt, hatte sie vernichtet, zerschlagen, zerschnitten. Sie waren wie Butter in der prallen Sonne.

Sein Verbindungsmann, der ihn unter dem Namen Schmidt kannte, hatte sie als ein Team der Spitzenklasse empfohlen. Richtige Profis. Trainiert für den Ernstfall. Jeder auf den anderen abgestimmt. Das perfekte Team.

Straßenmonster waren sie. Nichts weiter. Würden sie ihm das Wasser reichen.

Er lachte laut heraus.

Nein. Niemals. Kein Mensch.

Er fragte sich, ob sie es gespürt hatten. Lea, dieses kleine Biest. Sie hatte ihn recht merkwürdig auf der Rückfahrt angesehen. Vielleicht hatten ihre Instinkte sie vor ihm gewarnt, ihr gesagt, daß er ein falsches Spiel mit ihnen treiben würde. Sie war eine Magierin gewesen. Sogar, wie er askennt hatte, eine Initiatin. Bloß, was hatte es ihr genutzt. Rein gar nichts. Auch sie war unter seinen Hieben gestorben, wie die anderen drei. Chancenlos. Willenlos. Obwohl. Nein. Sie konnte seine Aura nicht askennt haben. Seine Maskierung war zu perfekt. Bis ins kleinste Detail, wie jede seiner Tarnungen, wie sein ganzes Spiel. Es war ein perfides Netz. Er bewunderte seine Instinkte wieder richtig gelegen zu haben.

Art, der Samurai der Truppe hatte ihm eine Garbe in die Seite verpaßt, aber die Wunden heilten bereits wieder. Arts Gesicht war eine Maske blanken Entsetzen, als er ihnen seine wahre Gestalt offenbart hatte. Wieviel Mut war noch in ihm gewesen. Nicht ein Tropfen. Er hatte geschrien und verzweifelt versucht, sich zu wehren.

Ein Tropfen Blut bildete einen häßlichen Fleck auf seinem weißen Anzug, den er gleich nach dem Attentat angezogen hatte. Menschliches Blut. Er leckte einen weiteren Tropfen mit einem Grinsen von seiner Hand.

Grimmig blickte er hinaus in die kalte Nacht.

Wo war Mitchells Junge? Er hatte gedacht, er wäre im Haus gewesen. Aber, da war niemand gewesen außer Mitchell und seiner Frau. Er hatte die gesamte Wohnung askennt und der Junge war definitiv nicht da. Wo war dieses kleine Biest? Wahrscheinlich hatte der Junge bei einem Freund geschlafen. Gut, er würde jemanden zur Schule des Jungen schicken, um ihm den Anblick seines abgebrannten Elternhauses und der verbrannten Leichen seiner Eltern zu ersparen. Er würde sich, um ihn kümmern. Er war es seinem ehemaligen Partner schließlich schuldig, sich um die arme Waise zu kümmern.

Was der Junge des Vaters nicht bemerkt hatte, war, das sein Junge magisch aktiv war. Zwar noch sehr schwach, aber mit der richtigen Schulung würde es aus ihm werden.

Er sollte den Jungen nicht gleich töten, dachte er sich. Vielleicht nehme ich ihn als meinen Sohn auf. Kümmere mich um ihn. Ersetzte ihm den Vater. Und die Mutter.

Niemals.

Er mußte seinem Verbindungsmann einen Besuch abstatten. Das hatte Priorität. Er sollte nichts von dem Ableben seiner Klienten erfahren, oder gar etwas über ein Attentat auf der Straße verbreiten. Um den Jungen würde er sich selbst kümmern.

Der Blutfleck verschwand, ebenso der weiße Anzug. Sir Malcolm O’Harris lachte in die Nacht. Er war guter Dinge. Heute nacht war seine Nacht. Heute Nacht.

Sein schwarzer Anzug schimmerte im Mondlicht, als er die Tür seines Ferraris hinter sich schloß. Mit einem warmen Gluckern erwachte der PS-starke Motor zum Leben.

Es war Zeit zum Essen. Der kleine Appetithappen hatte seinen Hunger entfacht

Kapitel 3

Lisa McCaunchan erwachte um 4.30 Uhr vom Klingeln ihres Weckers. „Warum bloß", fragte sie sich," muß die Nacht immer nur so kurz sein. Und warum muß ich schon wieder aufstehen und zur Arbeit gehen."

Auf nackten Füßen tapperte sie ins Badezimmer, um sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen.Langsam öffnete sie ihre verschlafenen Augen. Ein hübsches, hellhäutiges Gesicht starrte müde aus dem Spiegel zurück.

„Guten Morgen, Lisa. Willkommen im Reich der Lebenden. Und eins will ich Dir mal sagen. Du siehstverdammt müde aus und. Du bist auch verdammt müde, „sagte ihr zu ihrem Spiegelbild.

Szenen, der letzten Nacht. Sie und Jerry. Der Ring, der jetzt golden an ihrem Finger funkelte. Das wunderbare Essen und sein Heiratsantrag.

Lisa lächelte.

„Ja", dachte sie. „Ich werde ihn heiraten. Und dann werden wir zwei Kinder haben und eine schöne Wohnung." Aus Gewohnheit griff sie zu ihrer Bürste und strich über ihr blondes, schulterlanges Haar. Sein Geruch haftete noch an ihr. Mit einem Lächeln dachte sie an die letzte Nacht. An seine heißen Küsse, den Champagner, der auf ihrer Haut prickelte und seine gefühlvollen Hände.

Eine Hand landete auf ihrer Schulter. Unangenehm kroch die von der Hand ausgehende Kälte über ihren Rücken. Sie erwartete Jerrys zerzausten Haarschopf im Spiegel zu sehen, doch da stand ein ihr völlig fremder Mann.

Seine Augen waren kalt, kälter noch als seine Hand. Sein gesamtes Gesicht war über und über mit Blut beschmiert und als er seinen Mund zu einem Lächeln öffnete, schrie sie ihre Angst heraus.

Lisa holte mit dem Ellbogen aus und traf den Fremden in der Magengegend. Sie hörte keinen Aufschrei, aber zumindest wich er ein Stück von ihr zurück, so daß sie aus dem Badezimmer rennen konnte. Ihr Blick fiel auf das Hotelbett. Eine riesige Blutlache hatte sich auf den weißen Laken gebildet. Jerry lag in dieser Lache, sein Kopf in ihre Richtung blickend. Die leeren Augen starrten sie flehend an. Sie wußte, er war tot. Der Fremde. Sie riß sich aus ihren Gedanken und rannte zur Tür. Gedämpftes Laufen ertönte hinter ihr. Sie mußte hier weg. Schnell.

Es war wie in einem schlechten Film. Natürlich hatten sie die Tür abgeschlossen. Keiner sollte sie stören. Ein kühler Windhauch verriet ihr, daß der Fremde durchs Fenster gekommen sein mußte.

Erneut packten seine kalten Klauen zu, als sie am Türschloß herum fummelte. Er drehte sie zu sich herum. Sein Gesicht war eine sie verhöhnende Fratze. Seine Zähne waren gebleckt wie bei einem Tier und seine Eckzähne waren größer, als sie bei normalen Menschen sein sollten.

Lisa zögerte nicht. Ihr Furcht war riesig, aber ihr Verstand war noch nicht benebelt von der aufschwellenden Angst.

Mit voller Wucht trat sie ihm zwischen die Beine und setzte ihr Knie gegen seinen Kopf, als erzusammensackte. Er klappte zusammen, wie ein Schweizertaschenmesser, doch wie sie mit Erschrecken bemerkte, hatte ihn ihr Angriff nicht sonderlich zugesetzt.

Endlich öffnete sich die Tür und sie rannte in Richtung der Treppe, halbnackt nur in ihrem Bademantel erreichte sie den Treppenansatz.

„Nur noch diese paar Treppen und ich bin in Sicherheit."

Schreiend erreichte sie das Foyer des Hotels

Chandler’s Zorn machte ihn fast ohnmächtig. „Diese Schlampe", brüllte er. Er war nicht vorsichtig genug gewesen. Hatte sie unterschätzt. Miststück. Sein Hunger war für den Moment gestillt. Es warteten andere willenlose Opfer wie reife Früchte an einem Baum auf seine Macht. Er würde sie nehmen.

Das Blut verschwand aus seinem Gesicht und er verließ als blondhaariger Elf Zimmer Nummer 421 des Laubenstein Plazas.

Er würde die kleine Schlampe finden. Und sie würde beten ihn nie angegriffen zu haben. Die Beleidigung seine Nähe zu verweigern mußte gesühnt werden.

Lisa McCaunchan. Hübscher Name. Er würde bald unter „vermißt" in den Polizeiakten zu finden sein.

Kapitel 4

Conner saß Zeitung lesend im Foyer des Laubenstein Plazas. Die Supersonics hatten das gestrige Spiel gegen die Knicks verloren. Schade, dachte er. Sein Buchmacher hatte 200 ¥ Gewinn gemacht. Er sollte mit dem Spielen aufhören, schließlich war ihm das Glück im Spiel noch nie hold gewesen.

Sein Auftrag und der Grund seiner Anwesenheit war eine kleine Beschattung. Sein Johnson wollte wissen, mit wem sich Jerry Packers, ein äußerst fähiger Schauspieler, in seiner Freizeit herumtrieb. Eine Affäre mit einem miesen Starlett würden seiner Karriere und seiner Ehe einen jähen Abbruch bescheren, so die Aussage des Johnsons. Die Beschattung wäre eine reine formale Angelegenheit.

Conner hatte den Auftrag angenommen, um sich ein wenig zu erholen. Sein Kredstab war wie immer leer, wie immer waren nicht genug Aufträge da, um einen erträglichen Level an elektronischem Bargeld auf seinem Stick zu vermerken. Und. Der letzte gutbezahlte Job war

ebenfalls eine Weile her. Was wollte er mehr. Er wurde bezahlt. Bezahlt in einer Lobby herumzusitzen und das Lebeneines kleinen Angestellten zu verfolgen. Seine Zeisscyberaugen, zwar nicht das Luxusmodell, aber trotzdem gute, deutsche Wertarbeit registrierten eine hektische Bewegung an der Treppe neben den Fahrstühlen. Jemand mußte es sehr eilig haben. Er schmunzelte und fragte sich, wann er das letzte Mal in einem Hotel die Treppen hinuntergestürmt war. Die Expressfahrstühle waren weitaus bequemer.

Er brauchte eine weitere Sekunde, um der hektischen Person einen Namen zuzuordnen. Lisa McCaunchan. Sie war am späten Abend mit seiner Zielperson in diesem Hotel verschwunden und die Geräusche an der Zimmertür deuteten den Fall eines aufstrebenden Schauspieler mit lautem Stöhnen an. Die beiden hatten in ihrer Ekstase nicht einmal das Klicken der Tür gehört, als er in das Zimmer geschlichen war, um Beweisfotos aufzunehmen. Eigentlich hatte dieser Jerry so eine Frau überhaupt nicht verdient.

Sie sah verschlafen aus. Ihr Haar war zerzaust und der Bademantel ließ einen atemberaubenden Blick zu, als sie durch das Foyer stürmte. Die Alarmglocken schellten in seinem Hinterkopf laut und deutlich irgend etwas stimmte hier nicht.

Seine Vermutungen wurden bestätigt, als er sie schreien hörte.

"Er ist tot, er ist tot, mein Gott, warum hilft mir den Niemand. Und.... und ..... dieses Monster ist hinter mir her."

Conner zögerte keine Sekunde, sprang aus seinem Sessel auf und sprintete zur Rezeption, um sie abzufangen. Der Kellner, der ihm gerade seinen zweiten Kaffee bringen wollte, konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite springen, nicht so das ältere Ehepaar, die eine heiße braune Dusche abbekamen.

Er war bei, packte ihren Arm und zog sie mit sich in Richtung Ausgang. Ihr Blick ließ Furcht und Verwunderung erkennen, trotzdem wehrte sie sich nicht gegen sein Ziehen.

"Kommen Sie. Ich werde Sie in Sicherheit bringen", murmelte er so, daß nur sie es hören konnte. In Windeseile waren sie in seinem alten klapprigen Ford und fuhren mit quietschenden Reifen aus der Tiefgarage des Hotels.

"Worauf habe ich mich jetzt schon wieder eingelassen", dachte er sich als er den Wagen mit übertrieben hoher Geschwindigkeit durch den morgendlichen Verkehr lotste. "Mein Hormonspiegel muß ganz schön hoch sein. Aber so ist es immer Conner. Kaum kommt eine hübsche Lady vorbei, und schon bist Du hin und weg." Grübeln würde ihm in der jetzigen Situation den schnellen Tod, überlegte er und warf einen Blick auf seine verwirrte Beifahrerin. Sie zog ihren Bademantel über die Knie und starrte geradeaus aus der Frontscheibe.

Er versuchte sein gewinnendste Lächeln aufzusetzen und bremste den Wagen auf normale Geschwindigkeit hinunter.

"So, Lady. Was war da oben eigentlich los?"

Kapitel 5

Lisa sah diesen Kerl an, der sie aus dem Foyer des Hotels gezogen, in sein Auto geschliffen und dann mit ihr in die Barrens gefahren war. "In die Barrens!", dachte sie. "Wie soll ich von hier bloß wieder nach Hause kommen." Sie hatte Angst, zwar nicht so extrem wie im Hotel, aber trotzdem machte ihr dieser Mann Angst. Er war anders als alle anderen Männer, die ihr in ihrem Leben begegnet waren. So animalisch. So brutal. Doch irgendwie war er ihr doch sympathisch. Er war in etwa so groß wie sie, vielleicht einen Meter 80 groß, jedoch von der Statur her breit und muskulös. Erst jetzt fielen ihr seine Augen auf, die sie kalt anstarrten. Cyberaugen, die unentwegt ihr direkt ins Gesicht blickten. Der Blick fröstelte sie, machte ihr bewußt, wo sie sich befand, in welcher mißlichen Lage sie war.

"Nun, was war dort los?", fragte er wieder. In seiner Art und Weise klang seine Frage fast besorgt, aber sie wußte, daß er kein weiteres Schweigen akzeptieren würde."Da war ein Mann in meinem, in unserem Zimmer", begann sie. "Er hat Jerry umgebracht, verstehen Sie, er hat ihn einfach umgebracht und er wollte mich auch töten. Er war groß und ....und..."

“Moment mal, sie meinen er Jerry Packers umgebracht?" Conner sah seine Nuyen wie altes Laub den Bach hinunterließen. Den Auftrag konnte er getrost in die Schublade mit dem Etikett "Erledigt und vermasselt" stecken.Sein Blick wankte eine Millisekunde lang, doch dann war da nur noch das Kalte seiner Augen, daß sie anstarrte.

"Ich war im Badezimmer und plötzlich stand er hinter mir. Es war kalt und er war kalt und auch, wenn sie mich jetzt für verrückt halten", stammelte sie weiter. "Aber er hatte lange Eckzähne, wie ein Vampir, sie wissen schon, wie eines dieser Viecher aus dem Trid, die Blut saugen."

"Beruhigen sie sich doch erstmal und fangen sie noch mal von der Stelle aus an, daß Jerry umgebracht wurde", erwiderte er, um ihren kurzen, hysterischen Redefluß zu stoppen und in die richtigen Bahnen zu lenken.

Lisa schaute ihn an. Warum wollte er ihr nicht glauben? Sie hatte den Vampir mit ihren eigenen Augen gesehen. Er hatte kein Spiegelbild, er hatte lange Zähne. Er mußte ein Vampir sein. "Verdammt, Lisa", sagte sie zu sich selber. "Da hast du dich mal wieder schön ins Abseits geschoben. Sitzt mit einem fremden Kerl in einem Auto mitten in der übelsten Gegend von Seattle und mußt diesem Mann erzählen, daß dein Verlobten von einem gottverdammten Vampir gerade eben ausgesaugt wurde. Und zu allem Überfluß wollte dich der Vampir ebenfalls auspumpen. Fein. Hast du gut gemacht."

Sie versuchte es noch einmal mit der gleichen Geschichte, aber trotzdem schien er ihr nicht zu glauben, als sie das zweite Mal bei dem Vampir angelangt war.

"Wir fahren jetzt zu einem Freund von mir. Sie müssen keine Angst haben. Weder ich noch er werden ihnen irgend etwas tun. In gewisser Weise haben sie etwas mit Jerry Packers zu tun, und ich muß unbedingt wissen, was sie mit ihm zu tun haben", beendete er ihre Geschichte und startete den Wagen.

Sie fuhren weiter. Seine Gedanken versuchten aus ihrer Geschichte das hysterische Element heraus zu filtern, die kleinen Brocken Wahrheit von dem zu trennen, was sie möglicherweise hinzu gesponnen hat. Wahrscheinlich nicht aus Absicht, dafür schien sie viel zu verzweifelt, zu nahe am schmalen Grad zur völligen Hysterie. 

Dick hatte ihm einmal von einem Vampir erzählt, der seine Familie ausgelöscht haben sollte, aber was sollte man schon einem durchgeknallten Penner glauben, der jedem seine Lebensgeschichte erzählt, der ein paar Nuyen für einen Kaf und einen Burger springen lassen kann.

"Ich werde sie erst einmal bei Dakota abliefern, soll der sich doch mit ihr herumärgern", dachte Conner, als er den

Wagen vor einem mit Graffiti beschmierten Garagentor den wagen am Straßenrand parkte.

"Kommen Sie", bellte er sie an, packte ihren Arm und zog sie aus dem Wagen, nachdem er fast eine Minute auf ihr Aussteigen gewartet hatte. Sie starrte ihn mit der gleichen Furcht in den Augen an, die sie bereits bei ihrer ersten Begegnung im Hotel gezeigt hatte.

"Hier wohnt 'n Freund von mir, da könn' se 'ne Zeit unterkommen. Ich wird' mich derweil mal ein bißchen umhören." Mit diesen Worten klopfte er an die Tür neben dem Garagentor. Eine knappe Minute später öffnete Dakota. Das Entsetzten in ihrem Gesicht schien noch einen Grad zu wachsen, als sie Conner's langjährigen Chummer sah. Ihr Blick wich sekundenlang nicht von dem glänzenden Chrom seines rechten Arms. Verängstigt wich sie einen Schritt zurück, um von Conner durch die tür geschoben zu werden.

"Hi, Con. Wo hast du die hübsche Lady aufgegabelt. Ist eigentlich nicht dein Stil Frauen vor meine Tür zu stellen und wieder die Biege zu machen", begrüßte der Hüne mit den langen braunen Haaren Conner freundlich.

"Weißt Du, Dak, die Lady hat ein kleines Problem...nu...ihr Freund liegt blutleer in einem der besten Hotels der Stadt und ich dachte mir, wenn ich schon ma' da bin, nehm' ich einfach mit nach Hause....und....bei mir ist.....", versuchte Conner eine möglichst plausible Entschuldigung für seinen Besuch zu erwidern.

"....bei dir ist nicht aufgeräumt. Ich weiß. Aber wie lange soll die gute Frau hier bei mir unterkommen, he."

"'Nen paar Stunden würden reichen. Sagen wir in vier Stunden bin ich wieder da. Bis dann müßt' ich genug herausbekommen habe, um irgendwas auf die Beine zu stellen. Bis denn", sagte Conner und stieg in seinen Wagen ein, um jede Widerworte von vornherein abzuschmettern.

Verdutzt blieben Dakota und die immer noch verstört auf einen glänzenden Arm starrende Lisa zurück.

Kapitel 6

Mit einem leisen Klicken öffnete sich das Schloß. Das kleine Lämpchen wechselte von Rot auf Grün. Owen entfernte den Magschloßknacker und verstaute das wertvolle Gerät in seinem Rucksack. Die Investition hatte sich mehr als gelohnt. Wie oft ihm das Gerät seinen Weg erleichtert hatte, er hatte vergessen mitzuzählen. Lautlos öffnete er die Tür und glitt in das dahinter befindliche Apartment. Er drückte sich an die Wand, atmete tief ein und entließ seinen Atem. Er mußte ruhig bleiben, sich treiben lassen. Er lauschte. Seine Fuchi Cyberaugen registrierten schwache Rottöne. Zweifellos kein menschliches Wesen, lediglich die Wärmeabstrahlung der Fußbodenheizung. Er schaltete um auf Lichtverstärkung und sah sich in dem großräumigen Apartment um.

Allein dieser Raum maß mehr als 50 m². Mehr Platz als Owen's vier Wände in seinen zahlreichen, bisherigen Wohnungen je zur Verfügung gestellt hatten. Zwei schwere Ledersofa, die einen großen Glastisch flankierten, dominierten den Raum. Rechts von ihm befand sich, die mit teurem Marmor geflieste offene Küche mit einer Theke in Richtung Wohnzimmer und dazu passenden Barhockern.

Er rief die Karte aus seinem Headware Memory auf. Das Schlafzimmer war zu seiner Linken.

Der dicke, schwere Teppich und seine dünnen Gummisohlen schluckten jedes Geräusch auf dem Weg zur Schlafzimmertür. Owen zog, angelangt an der Tür seine Walther PB - 120. Den Schalldämpfer hatte er bereits, für alle Fälle, vor der Wohnung auf die leichte Pistole geschraubt. Die Waffe war wirkungslos gegen gepanzerte Ziele. Doch sein Ziel würde nicht in Panzerung schlafen.

Vorsichtig öffnete er die Tür. Das Schleifen der Kante erzeugt ein leises Zischen. Er entdeckte zwei Körper, eng umschlungen unter mehreren Decken in einem Doppelbett liegen. Ein dunkelhäutiger Elf und eine junge Japanerin mit langen, tiefschwarzen Haaren. Beide schliefen. Ihre Atmung war tief und entspannt.

Owen zielte auf den Kopf des Elfen. Direkt zwischen Ohrspitze und Augenbraue. Er würde nicht einmal wissen, daß er tot war, bevor sein Gehirn den Dienst verweigern würde. Die Automatik hustete kurz, der Körper des Elfen ruckte leicht. Die Atmung stoppte. Das Kissen färbte sich rot. Die Japanerin reckte sich, schlug verschlafen die Augen auf und blickte in Owen's Richtung. Ihr Blick weitete sich, als sie seine schemenhaften Umrisse, und die der Waffe erkannte. Es war das letzte, was sie sah.

Owen verschwand wie er gekommen war .

Kapitel 7

"Briggs wurde heute nacht erschossen. Ebenso wie Sheena", sagte Static seinem Gegenüber über das Telekom. Das Bild, ein Ork mit kurzgeschorenen dunkelbraunen Haaren, blickte ihm kalt entgegen. Er sah verschlafen aus, was angesichts der frühen Morgenstunden kaum verwunderlich war.

"Wie erschossen."

"Kugel in den Kopf. Verstehst Du. Tod. Peng, aus und vorbei. Zwei Schüsse. Einen für Briggs, einen für Sheena. Soweit ich weiß, eine kleinkalibrige Waffe. Man hat die beiden gegen 6 Uhr morgens gefunden. Dina hat ihn gefunden, als er sich nicht, wie verabredet gemeldet hatte." Er machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu. "Vielleicht sollten wir die anderen informieren. Dina weiß Bescheid. Bleiben nur noch Dak und Con. Du nimmst Con. Ich versuche Dak zu erreichen. 10 Uhr 30 im Shelleys."

"Bis nachher."

Static unterbrach die Leitung. Er wählte Dakota's Nummer, erreichte aber nur seinen Anrufbeantworter. Er hinterließ eine Nachricht und legte auf.

Die Nachricht von Briggs'Tod beunruhigte Static. Rief die Leichtigkeit einen schnellen Tod zu finden, zurück in seine Gedanken. Briggs war Statics Schieber gewesen. Er hatte die Johnsons an Land gezogen und das Team immer mit dem Besten versorgt. Seien es die Jobs oder Ausrüstung. Briggs war mehr als ein Arbeitgeber gewesen. Er war ein Freund.

Die meisten Aufträge, die Briggs vermittelt hatte, waren wie für ihn und das Team zugeschnitten gewesen. Informationen, Planung, Ausrüstung, etc.. Wenn der Job von Briggs kam, konnte man sich darauf verlassen, mit allem nötigem ausgestattet zu sein.

Static duschte und rasierte sich. Er machte sich nicht die Mühe seine kurzen blonden Haare zu trocken, die Luft würde den Job übernehmen. Er zog sich Pullover und Jeans an, schnallte sich das Schulterhalfter mit seinem Colt Manhunter um. In einem Beinhalfter verschwanden 10 Zentimeter mit Dikote überzogener Stahl. Er warf sich seinen gepanzerten Mantel über und verließ seine Wohnung in Everett. Zufrieden stellte er fest, wie die Sicherheitssysteme in seiner Wohnung beim Umdrehen des Schlüssels aktiviert wurden. Er nahm den Fahrstuhl nach unten.

Die Eingangshalle war bis auf den Wachmann hinter dem Empfangstresen leer. Er sollte dafür sorgen, daß keine ungebetenen Gäste, die Bewohner des Hauses belästigen. Static sah auf das Namensschild des Wachmanns. Lance Fuller. Er hatte den jungen Mann noch nie hier gesehen. Ein unterschwelliges Kribbeln zog sich über seinen Nacken. Er spürte das Adrenalin in seine Blutbahn schießen.

"Einen schönen Tag, Mr Hunter", rief ihm der Wachmann hinterher, als er schnellen Schrittes in Richtung Ausgang eilte. Static ignorierte ihn. 

Durch die transparenten Makroplastscheiben sah er neben seinem blauen TCA Multivan eine nachschwarze Limousine stehen. Zwei Männer in schlichten, schwarzen Anzügen kamen durch den Eingang des Foyers auf ihn zu. Die Sirenen in seinem Kopf heulten. "Bleib ruhig. Verdammt. Bleib ruhig", redete sich Static ein. "8 Meter, ich sollte es eigentlich schaffen:"

Er spürte eine Bewegung hinter sich. Er blickte sich kurz um, und sah wie der Wachmann an seine Hüfte griff. Static zögerte nicht einen Moment, machte kehrt und sprintete in Richtung Tresen. Im Laufen zog er den Manhunter und sprang mit einem Hechtsprung über den Marmorblock, dem Wachmann entgegen. Der Wachmann hatte seine schwere Dienstpistole und versuchte sie auf Static zu richten.

Static schoß. Der Mann wurde mehrere Male in der Brust getroffen. Er ruderte mit den Armen und fiel nach hinten. Blut spritzte gegen den weißen Marmor der Eingangshalle. Static flog über den Tresen und rollte sich ab. Er drückte sich an die Rückwand und wartete. Wachmann Lance Fuller stöhnte unter Schmerzen neben ihm. Blut lief auf den Marmor. Fuller zuckte kurz und sein Körper wurde schlaff.

Die beiden Anzüge schossen. Ein Sturm aus Papier und Plastikfetzen erhob sich über Statics Kopf. Sie feuerten mit Maschinenpistolen auf den Tresen. Static verkroch sich noch tiefer hinter die schützende Wand. Das Rattern der MPs verstummte kurz darauf.

"Komm raus, Mann. Dir wird nichts passieren. Wir wollen nur mit dir reden", hörte Static den einen der beiden brüllen. Er hatte das unbestimmte Gefühl, daß das nicht stimmte.

Sein Gefühl wurde bestätigt, als mit einem lauten PLONG eine Granate einen Meter entfernt von ihm landete. Seine Möglichkeiten huschten in Millisekunden vor seinen Augen vorbei. Static sprang.

Er federte aus der Hocke über den Tresen. Der kleinere der beiden feuerte sofort aus seiner MP. Die Kugeln trafen Static am rechten Oberschenkel. Durchschlugen Muskelstränge. Er rieß die Pistole herum und entleerte das Magazin in den Schützen, bevor er gegen den zweiten prallte, der nur zwei Meter entfernt von ihm stand. Die Granate explodierte mit einem immensen Knall. Teile des leblose Körper des Wachmanns spritzten durch das Foyer. Beide gingen zu Boden. Static bekam die Oberhand und schlug wie wild mit dem Kolben seiner Pistole auf den unter ihm liegenden ein. Blut spritzte ihm ins Gesicht und über die Hände. Static spürte seine Finger um den Griff der Pistole verkrampfen. Mit einem dumpfen Geräusch brach der Schädel und gräuliche Gehirnmasse wurde sichtbar.

Static richtete sich mühsam auf. Der kleinere der beiden schien noch zu leben. Er humpelte auf ihn zu und kniete sich neben ihm nieder. "Wer schickt euch. Es ist eh vorbei. Sag' mir, wer euch schickt", schrie Static ihn an.

Er gurgelte kurz und ein frischer Schwall Blut quoll aus seinem Mund. Sein Kopf kippte zur Seite.

Static hatte nicht mehr viel Zeit. In wenigen Minuten würde es hier von Lone Star Cops wimmeln, die unangenehme Fragen stellen würden auf die Static nicht die richtigen Antworten geben wollte und konnte. Er nahm sich die Zeit die Toten oberflächlich zu durchsuchen, jedoch fand er bis auf Munition und zwei Granaten nichts von Belang.

Unter Schmerzen humpelte er zu seinem Wagen. Im Vorbeigehen warf er einen flüchtigen Blick in die Limousine. Static schenkte es sich, sie ebenfalls zu durchsuchen. Er würde soundso nichts finden. Er stieg in seinen Wagen und fuhr los. Der Autopilot, den er auf die Adresse des Shelleys programmierte fädelte den Wagen behutsam in den morgendlichen Verkehr ein.

Static kramte in seinen Manteltaschen und fand schließlich seinen Taschensekretär. Der Mantel hatte sich bereits mit Blut vollgesogen. Er befand sich wohl kaum in der richtigen Kleidung, um im Shelleys aufzutauchen.

Er wählte Tulai's Nummer. Nach zweimaligem Klingeln nahm der Ork, das Gespräch entgegen.

"Yup."

"Tulai....wir müssen den Plan ändern. Zwei Typen haben gerade versucht mich kaltzustellen. Sag den anderen..."

"Moment mal. Bist du verletzt. Wo bist du, brauchst du Hilfe", antwortete Tuali.

"'n Steckschuß im Oberschenkel. Halb so wild. Ruf die anderen an. In einer halben Stunde im Dillo."

"In einer halben Stunde, gut. Ich ruf' Dak und den Rest an. Conner sollte sich dann mal dein Bein anschauen. Und Static...:"

"Ja......."

"Gib auf dich acht."

"Ich werd's versuchen."

Static unterbrach die Leitung.

Kapitel 8

Die Kleine hat dir also ernsthaft versucht zu erklären, daß ein dämlicher Vampir ihren Freund ausgesaugt hat?", fragte Dina. Sie strich sich ihr widerspenstiges Haar aus dem Gesicht und starrte Conner mit funkelndem Blick an. Ein Schmunzeln strich über ihre Mundwinkel, das ihrem zwergischem Gesicht eine fast niedliche Note verlieh.

Conner mochte die verrückte Zwergin. Er kannte sie bereits 3 Jahre. Eine Ewigkeit in den Schatten. Sie war die Deckerin im Team und diejenige, die ihn jedesmal mit seinen Frauenbekanntschaften aufzog. Nicht das ihn ihre Marotten störten, es belustigte ihn, wie sie jedesmal die Eifersüchtige spielte und ihn neckte. Es machte das Leben etwas erträglicher, machte ihm bewußt, daß manche Tage etwas besseres verdient hatten, als über das Morgen nachzudenken.

"Gut, Dina. Ich versuche es noch einmal, damit auch du mir folgen kannst", sagte er nicht ohne merkliche Ironie. "Ich sitze also in diesem piekfeinen Hotel, schlürfe meinen Kaffee, ich betone KAFFEE, und plötzlich kommt diese Frau die Treppen hinuntergestürzt, und faselt irgendwas wie, er ist tot, er ist tot. Ich sag' dir, sie hatte diesen irren Blick. Völlig durch den Wind, die Dame. Ich, also, zu ihr hin, hab' sie mir gepackt und in mein Auto gezerrt. Schließlich war sie mit meiner Zielperson zusammen. Ich hab' sie dann bei Dakota abgeliefert, während sie mir auf der Fahrt immer wieder den gleichen Mist erzählt hat. Sie klang in etwa so wie der alte Dick. Ich glaub' den kennst du auch noch. Der Junge, der immer Ecke 13te und Penn State herumhängt."

"Meinst du den Kleinen, der einen immer so blöde angrinst und auch so eine Vampir-Story herunterbetet?", fragte Dina.

"Genau. Ich bin dann, nachdem ich sie abgeliefert habe, zu ihm gefahren, hab ein bißchen 'rumgefragt, aber seit Tagen hat ihn niemand gesehen. Wahrscheinlich, das übliche. Irgendein anderer Penner hat ihn wegen seiner Stiefel oder für einen Happen zu essen, gegeekt. Das Schicksal der Straße. Wir haben die Story schon viel zu oft gehört."

Die Glastür zum Shelley's öffnete sich und ein großer dunkelblonder, recht muskulöser Mann betrat den Diner. Sein Blick schweifte über die Sitznischen, fand diejenige von Dina und Conner. Steten Schrittes ging er auf die beiden zu.

"Hoi, Dina. Hoi, Con. Was machen die Geschäfte?" Er setzte sich ungefragt neben Dina und nahm einen großen Schluck von Conner's Soykaf. "Tulai hat mich angeklingelt. Aber, wo ist die Warzenfresse. Nicht da. Ich dachte, nur ich bin derjenige, für den Pünktlichkeit ein Fremdwort ist."

"Na endlich. Einsicht ist der beste Weg zur Besserung. Du wirst doch nicht etwa auf deine alten Tage ein anständiger Mensch, Dakota?", brummte Conner den Neuankömmling und nahm ihm seinen Soykafbecher wieder ab.

"Hoi, Großer", begrüßte ihn Dina.

"Also, wo sind die beiden anderen. Irgendwelche Frauengeschichten?"

"Ähm.....wo du gerade Frauengeschichten sagst. Wo ist die Kleine, die ich gestern bei dir abgeliefert habe?", fragte Conner.

Nachdem Dakota bei der heraneilenden Kellnerin ein großes Frühstück mit gebratenen Eiern bestellt hatte, begann er: "Deine neue Bekanntschaft hat den restlichen Abend nicht mehr viel gesagt. Sie hat mich die ganze Zeit nur blöde angestarrt, als ob ich von einem anderen Planeten kommen würde. Ich hab' ihr etwas zu essen und ein paar warme Decken gegeben. Du kennst mich. Niemand kommt aus meiner Wohnung heraus oder hinein, wenn ich es nicht will. Ich bin irgendwann schlafen gegangen, sie schlief bereits seelenruhig auf dem Sofa und es schien nicht so, daß sie in nächster Zeit wieder aufwachen würde. Und. Am Morgen war sie dann weg. Meine Alarmanlagen. Alle ausgeschaltet. Das Biest muß ein bißchen mehr auf dem Kasten gehabt haben, als du gedacht hast, ansonsten hätte sie kaum den Sprengsatz vor dem Schaltkasten umgehen können. Und sie hat noch einen Predator von mir geklaut. Du kannst dir sicher sein, daß das Biest erst einmal eine gehörige Trachtprügel kriegt, wenn ich sie erwische. Ich schlafe nicht gerne mit heruntergelassenen Hosen."

"Ha, ihr stupiden Mannsbilder traut einer Frau einfach nichts zu", triumphierte Dina. Ihre beiden Begleiter sahen sie verdutzt an und stimmten dann in ihr Lachen ein. Dina war weit davon entfernt eine Emanze zu sein.

Dakota sah, als das Lachen verstummte, der Reihe nach Dina und Conner an. "Ihr habt mir meine Frage noch nicht beantwortet, wo Static und Tulai sind."

"Kurz nach dem ersten Anruf, rief Tulai noch einmal an. Static hat es erwischt. Zwei Kerle haben versucht, ihn vor seiner Wohnung zu geeken. Er konnte entkommen, hat sich aber wohl eine Kugel gefangen. Dina war gerade bei mir und Tulai meinte, er hätte dich nicht erreichen können. Also haben wir hier auf dich gewartet." Er machte eine Pause und schaute auf Dakota's Frühstück. "Wenn du fertig bist, sollten wir los. Ich möchte mir Static ansehen, du weißt, er versucht immer den Harten zu spielen. Seine Wunde könnte schlimmer sein, als er vermutet oder es uns wissen lassen will."

Dakota verschlang die letzten paar Happen seines Frühstücks. Sie bezahlten und verließen eiligst den Diner. Dina und Conner fuhren mit seinem Ford Americar, während Dakota ihnen in seinem Westwind folgte. Ihr Weg ging in Richtung Puyallup. Weder die Zwergin noch der Elf noch Dakota bemerkten den weißen TCA Claw, der ihnen in gebührendem Abstand folgte.

Kapitel 9

Tulai wartete einen Block entfernt vom Armadillo in einem Häusereingang und beobachtete aufmerksam die Straße und den vorbei fließenden Verkehr. Eine Gruppe von Gangern in schwarzen und goldenen Farben beäugte ihn vorsichtig von der anderen Straßenseite. Ein großes verschnörkeltes BR zierte den Rücken ihrer Lederjacken. Black Rains. Von ihnen war kein Ärger zu erwarten. Tulai war ein Freund ihres Anführers. Und keiner von ihnen würde den Mumm haben, Mann gegen Mann, gegen ihn anzutreten. Er nickte eine kurze Begrüßung, woraufhin die Ganger sich ein anderes Ziel suchten, daß ihrer Aufmerksamkeit bedurfte.

Ein schwarzer TCA Multivan bog um die Ecke und fuhr langsam an ihm vorbei, um kurz darauf vor dem Armadillo zu halten. Niemand stieg aus. Tulai glitt aus dem Häusergang und ging in Richtung des schwarzen Lieferwagens. Er klopfte zweimal an die Seitentür. Die Tür schob sich zur Seite und er sah Static vor seinen Kontrollen in seinem gepolsterten Stuhl sitzen. Er war leichenblaß, sein Gesicht fahl. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. Der Boden unter seinem Sitz war voller Blut. Sein Bein sah schlimm aus, der Stoff seiner Hose hatte sich mit Blut vollgesogen.

"Hoi, Tulai. Ist halb so schlimm", begrüßte Static den Ork mit schwacher Stimme.

"Das sehe ich. Du mußt nicht den Harten spielen, Mann. Ich weiß, wie höllisch die Wunde schmerzen muß."

"Steig ein. Die anderen müßten auch gleich kommen."

Tulai war im Begriff in den Wagen zu steigen, als dieser von einer Explosion aufbockte. Die doppelte Hintertür flog knirschend auf. Funken sprühten. Static wurde von seinem Sitz geworfen und gegen den Fahrersitz geworfen. Von der Wucht der Explosion wurde Tulai zurückgeschleudert. Er blickte die Straße hinunter und registrierte aus den Augenwinkeln ein schweres Motorrad vom Typ Harley Scorpion knappe 50 Meter entfernt. Der Fahrer war in schwarzes Leder gekleidet. Und was er noch sah, ließ seine Chancen erheblich sinken. Aus einem Rohr unterhalb des Lenkers schoß etwas heraus und in Richtung des Vans. Tulai schrie. Es war zu spät, um Static aus dem Lieferwagen zu ziehen. Er rappelte sich vom Boden auf und sprintete weg vom Lieferwagen, der wenige Augenblicke später sich in einem riesigem Feuerball erhob. Tulai wurde erneut von der Wucht der zweiten Explosion von den Beinen geholt und in ein Schaufenster geschleudert.
Er landete zwischen gebrauchten Telekoms, Toastern und anderen gebrauchten Elektrowaren. Sein Kopf schmerzte. Ein schrilles Pfeifen in seinen Ohren machte ihn fast taub, erschwerte seine Orientierung. Mühsam richtete er sich auf. Tulai hörte wie ein Motorrad sich dem Laden näherte. Schneller stolperte er tiefer in den Laden hinein. Der Besitzer, ein grauhaariger Japaner mit einem immens langem Kinnbart zeterte ihn an, er solle verschwinden. Das war eine verdammt gute Idee. Er hatte überhaupt nichts dagegen einzuwenden.

Tulai lief in Richtung des Tresens, als das Stakkato einer Minigun anfing und das Inventar in Schutt und Asche legte. Er spürte mehrere Geschosse gegen seinen Rücken prallen, die ihn nach vorne stolpern ließen. Der Japaner wurde mehrfach getroffen und gegen ein Regal hinter dem Verkaufstresen geworfen. Der Geruch von Blut und Kordit stand in der Luft vermischt mit dem ständigen Wummern der Minigun und herumfliegender Splitter.
Tulai bekam weitere Schläge gegen den Rücken. Einer traf ihn unterhalb der Schulter. Weitere in den Beinen. Er versuchte weiter, Schritt für Schritt wegzukommen, doch seine Beine versagten ihren Dienst und er schlug hart auf dem Boden auf. Stechende Schmerzen durchzuckten seinen Körper. Seine Beine waren taub. Mühsam und unter Qualen drehte er sich auf den Rücken und schaute in die Augen eines Jungen.

Er sah wenig älter als zwanzig aus. Sein Gesicht sprach von purer Unschuld. Bedauern lag in seinen Augen, als er einen großkalibrigen Revolver auf Tulai richtete. Tulai versuchte verzweifelt von dem Jungen weg zu robben. Der Lauf der Pistole folgte seiner Bewegung.

"Bring' es hinter dich, du Penner", schrie Tulai ihn an, "worauf wartest du?"

Tulais Kopf ruckte nach hinten, als die Kugel einen Kanal durch sein Gehirn bohrte. Das Echo des Schusses hallte durch den Laden. Die Pistole verschwand in einem Schulterhalfter. Glas knirschte unter seinen Motorradstiefeln, als er über die Trümmer des Inventars zu seiner Harley ging. Er setzte sich den schwarzen Motorradhelm auf, bestieg die schwere Maschine. Die Straßen waren vom Ausbruch der Gewalt wie leer gefegt. Es war besser für die Menschen, die hier lebten Ärger aus dem Weg zu gehen. Und er bedeutete Ärger. Es war keine weise Entscheidung sich mit ihm anzulegen.

Dröhnend erwachte die Harley zum Leben. Er spielte mit dem Gashebel. Mit quietschenden Reifen schoß er nach vorne, weg vom Schauplatz der Verwüstung.
Es war eigentlich zu einfach gewesen, dachte Owen.

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